Freitag, 23. März 2012

Die Geschichte über die Abschlachtung von Bani Qurayza



Aus einer Publikation der Royal Asiatic Society von Grossbritannien und Irland
(1976), pp. 100-107.
Freie Übersetzung aus dem Englischen von Chadiga
 

Wie bekannt ist, lebten zur Zeit Muhammads- Friede sei auf ihm- drei jüdische Stämme in Yathrib (heutiges Medina),wie auch andere Jüdischen Siedlungen im Norden, die wichtigsten waren Kahybar und Fadak. Wie wir aus der Geschichtsschreibung entnehmen können - die jedoch nicht hundert Prozent gesichert ist - hoffte Muhammad, dass die Juden Yathribs die Wahrheit seiner Sendung anerkennen würden und die neue Schrift Gottes akzeptieren würden. Jedoch als diese Stämme erkannten, dass sich der Islam ausbreitete und stärker wurde, reagierten sie mit Misstrauen, dessen Ende das Verschwinden der Jüdischen Gemeinden von Arabia Felix war.
Die Biographen des Prophete, gefolgt von späteren Historikern erzählen uns, dass Banu Qaynuqa und später Banu al-Nadir die Muslime provozierten, jedoch besiegt wurden. Es wurde ihnen erlaubt, auszuwandern und all ihre Habseligkeiten mitzunehmen. Nach Ibn Ishaq in seiner „Sira“, soll der dritte der Jüdischen Stämme, Banu Qurayza, sich mit den Qurashites und jenen Verbündete zusammengeschlossen haben, welche einen Überfall auf Medina lancierten, der allerdings erfolglos gewesen sei. Dies, nach jenen Quellen, um den Islam zu zerstören. Sie ergaben sich wie einst Banu Nadir, entgegen jenen jedoch wurden sie als Spione betitelt, dies von Muadh, ein Mitglied des Aws Stammes, die verbündet waren mit den Quraisch. Er solle verlangt haben, dass die Jugendlichen Männer zu Tode gesteinigt würden und die Frauen und Kinder als Sklaven genommen werden sollen. So wurden Gräben neben dem Marktplatz Medinas ausgehoben und die Männer der Qurayza wurden enthauptet. Nach den Geschichtschreibern betrug die Anzahl der so Exekutierten 400 – 900.
Eine Studie dieser Behauptungen ergab, dass Details dieser Story ganz klar nicht korrekt sind.
Wir wollen nun die Arabischen Quellen studieren. Können sie als seriöse Quellen angesehen werden, um eine solche Geschichte zu verifizieren?



Die früheste Arbeit, die wir haben, ist wie immer die Sira des Propheten von Ibn Ishaq. Sie ist auch die Quelle, die am meisten zitiert wird. Spätere Historiker stützten sich fast ausschliesslich auf diese Arbeit.Ibn Ishaq starb 151 A.H., das heisst 145 Jahre nach diesem in Frage gestellten Ereignis. Aeltere Historiker übernahmen einfach seine Sicht der Geschichte, mit mehr oder weniger Details und übersahen die lange Liste unsicherer Überlieferer.
Einige von ihnen deuten an, dass sie nicht sicher seien, jedoch scheuen sie sich und gehen weiterem Trouble aus dem Weg. Ein Übermittler, Ibn Hajar , dagegen denunziert diese Geschichte und andere bezeichnen sie sogar als urbane Legenden .9Ein Mitgelehrter von Ibn Ishaq, Malik,10der Jurist, spricht über Ibn Ishaq öffentlich als Lügner und ein Imposteur, weil er solche Geschichten verbreitete.12
Wir müssen uns vor Augen halten, dass Historiker und Autoren der Prophetenbiographie niemals dieselben strikten Vorgaben einhielten wie die Traditionalisten. Sie gaben nicht gleichermassen acht, auf die vollständige Überlieferungskette, sie prüften nicht jedes Glied und so weiter und so fort. Wenn wir also schon die traditionelle Hadithwissenschaft mit kritischen Augen betrachten, dann stehen wir hier vor einem nicht beweisbaren Gebilde von Geschichten.
Die Aufmerksamkeit von biographischen Details und jenen, welche sich auf früheste Ereignisse des Islams beziehen, waren sehr weniger strikt als jene der späteren juristischen Zusammensteller der Überlieferungen. Tatsächlich ist die Geschichte der früheren Gemeinde in Medina und der Fall von Banu Qurayza ein zusammengesetztes Puzzle von verschiedenen Informationen seitens allerlei Personen, inklusive konvertierte Muslime und Nachkommen der Juden von Qurayza.
Gegen diese späten und unsicheren Quellen müssen wir die einzige verlässliche Quelle setzten, und dies ist der Quran. Dort sehen wir in Sura 33.26
"Er liess die Leute des Buches, welche ihnen halfen , von ihren Festungen herauskommen. Einige davon wurden getötet und einige nahmt ihr gefangen."
Es gibt keinerlei Referenzen von Namen oder Zahlen geschweige denn, dass das Märchen, der Prophet habe angeordnet, Frauen und Kinder zu töten, bestätigt wird.



Ibn Ishaq macht seine direkten Quellen klar, wenn es um dieses wichtige Kapitel in Medina geht. Seine Quellen sind : ein Mitglied der Familie des Al Zubayr und andere, welche „nicht unglaubwürdig sind“ Sie erzählen Teile der Geschichte in Autorität von 'Abdullah b. Ka'b b. Malik, al Zuhri, 'Asim b. 'Umar b. Qatada, 'Abdullab b. Abi Bakr, Muhammad b. Ka'b of Qurayza, and "andere von unseren gelehrten Männern". Jeder von ihnen verbreitete die Geschichte, so dass Ibn Ishaqs Aussagen die Summe jener verschiedenen Erzählungen darstellt. An einem späteren Ort nennt Ibn Ishaq noch einen anderen Nachkommen von Qurayza,namens 'Attiyya13, welcher er ausgelassen hatte und nach ihm gewisse Nachkommen von Al Zabir b. Bata, ein bekanntes Mitglied des Stammes Qurayza, welcher in der Erzählung vorkommt.
Die Geschichte beginnt mit einer Beschreibung der Bemühung von genannten jüdischen Führeren, welche sich organisierten um gegen die Allianz der frühen Muslime vorzugehen. Von den genannten Führern sind drei von Banu al-Nadir und zwei vom Stamme Wa“il, ein andere jüdischer Stammn; zusammen mit anderen ungenannten jüdischen Stammesoberhäupter.
Die Reaktion von Gelehrten und Historikern hinsichtlich Ibn Ishaqs Version der Geschichte war entweder offenkundiger Zweifel und andererseits auch völlige Ablehnung.
Hinsichtlich der Biographie des Propheten wurde eine gewisse Nachlässigkeit zur Norm. Anstatt die Quellen genau und akribisch nachzuprüfen, wurden sie einfach ohne sie in Frage zu stellen übernommen.14 Es war nicht wichtig, eine lückenlose Überlieferung nachzuweisen oder überhaupt Überlieferer namentlich zu erwähnen. Dies ist zweifelhaft in der Sira von Ibn Ishaq. Andererseits wurde einen grossen Wert auf Quellen und Überlieferer gelegt, wenn es sich um Rechtsfragen handelte. Deshalb hatte der Jurist Malik kein Auge für Ibn Ishaq.15
So finden wir, dass spätere Historiker und selbst Exegeten nur die gleichen Worte Ibn Ishaqs wiederholten oder jene ablehnten. Selbst Tabari, ungefähr 150 Jahre nach Ibn Ishaq, findet keinerlei andere Variationen der Geschichte, welches unüblich ist. Er meldet auch seine Zweifel daran an, dass der Prophet Gräben ausheben liess.
Ibn al-Qayyim in Zad al-ma'ad macht nur die kürzesten Referenzen und ignoriert ganz einfach die sich stellende Frage nach der Anzahl der Überlieferungen . Ibn Kathir scheint allgemeinen Zweifel zu hegen, weil er herausstellen musste, dass die Geschichte eine „gute Autorität“ besass , gleich wie die einer Aischa.16



Exegeten und Traditionisten tendieren dazu,einfach zu repetieren, jedoch die Referenz des Korans ist die einzige Quelle, die das Geschehen historisch erklärt.
Auch können wir anehmen, dass, wenn tatsächlich 600 oder 900 Menschen getötet wurden, speziell in dieser grausamen Art und Weise, müsste dies verzeichnet worden sein, auch von den jüdischen Nachkommen. Da wir die Streitigkeiten und gegenseitigen Beschuldigungen von Juden und Muslimen nur zu gut kennen, ist anzunehmen, dass diese Geschichte, hätte sie wirklich so stattgefunden, sicher eine grosse Akzeptanz bei der jüdischen Bevölkerung gefunden haette. Komischerweise schweigen sich die jüdischen Kleriker darüber aus, was weiter darauf hinweist, dass die ganze Geschichte erfunden ist.


So muss diese Geschichte abgelehnt werden und zwar aus folgenden Gründen:


(i) Wir oben erwähnt, sind die Referenzen zur Geschichte im Koran mehr als gering. Es gibt keinerlei Anzeichen eines „Massakers“ im Koran. Die Referenz bezieht sich auf diejenigen , welche im Krieg getötet wurden oder gefangengenommen wurden. Der Koran stellt die einzige Autorität dar, welche auch die Historiker akzeptieren ohne Zweifel zu haben.


(ii) Das Gesetz des Islams ist klar aus dem Koran ersichtlich: Es darf nur zur Verteidigung gekämpft werden, der Koran verbietet grundlose Agression und Ungerechtigkeit. Das koranische Gesetz besagt klar, dass nur eine Widervergeltung erlaubt ist, keinerlei Rache geübt werden darf.


(iii) Eine solch grosse Anzahl von Menschen umzubringen ist klar gegen jegliches Prinzip des Korans, vor allem des Verses "keine Seele soll die Last einer anderen tragen"22


(iv) Es ist auch gegen eine koranische Vorschrift hinsichtlich Kriegsgefangene. Sie sollen entweder freigelassen werden oder ausgetauscht werden.23


(v) Es ist unlogisch anzunehmen, dass Banu Qurayza ermordet werden sollten , wenn die anderen jüdischen Stämme, welche sich vor den Banu Qurayza und nach ihnen zusammengerottet haben, um die Muslime zu bekämpfen, fair behandelt wurden und ihnen die Möglichkeit gegeben wurde, zu gehen. (Vergleiche Abu 'Ubayd b. Sallam  Kitab al-amwal24)


(vi) Wenn wirklich hunderte von Menschen gesteinigt worden wären auf dem Marktplatz und diese Gräben audgehoben worden wären, dann erscheint es komisch, dass nirgends sich eine Referenz befindet, welche auf dieses Ereignis hindeutet.25


(vii) Wäre dies wirklich geschehen, hätten sich Juristen auch daran orientiert. Jedoch ist das Gegenteil geschehen. Die Juristen handeln nach dem Koran gemäss dem Prinzip , dass keiner Seel unrecht geschehen soll."


(viii) Die Geschichte enthält viele Unstimmigkeiten und Widersprüche. Beispielsweise werden gewisse Personen namentlich erwähnt, was darauf hindeutet, dass nur gewisse Personen tatsächlich getötet worden sind, und niemals ein ganzer Stamm.


(ix) Die Geschichte weist verdächtige Übereinstimmungen mit früheren Erzählungen in der jüdischen Geschichte auf, welche die Rebellion der Juden gegen die Römer erzählen und welche in der Zerstörung des Tempels 73 AD enden. Nach Josephus, ein jüdischer Überlieferer, soll Alexander der Grosse, welcher in Jerusalem vor Herodot dem Grossen herrschte, 800 jüdische Gefangene aufgehängt und ihre Frauen und Kinder vor ihren Augen abgeschlachtet haben. Die Anzahl der Getöteten ist praktisch übereinstimmend mit der Anzahl der angeblich von den Muslimen Getöteten. Es kommen sogar dieselben Namen vor.(siehe Quellenangaben 35-39)



Quellenangaben
1. Ibn Ishaq, Sira (ed. Wustenfeld, Gottingen, 1860), 545-7; (ed. Saqqa et al., Cairo, 1955), II, 47-9. See also al-Waqidi, Kitab al-maghazi (ed. M. Jones, London, 1966), II, 440 ff.; Suhayl, al-Rawd al-unuf (Cairo, 1914), I, 187 et passim; Ibn Kathir, al-Sira al-Nabawiya (ed. Mustafa `Abd al-Wahid, Cairo,             1384-5/1964-6      ), II, 5, et passim.
2. Sira, 545-56, 652-61/II, 51-7, 190-202; Ibn Kathir, oop. cit., III, 145 ff.
3. Sira, 755-76, 779/II, 328-53, 356, etc. More on Khaybar follows below.
4. ibid., 776/II, 353-4.
5. ibid., 668-84/II, 214-33.
6. ibid., 684-700/II, 233-54.
7. ibid., 689/II, 240; `Uyun al-athar (Cairo, 1356 A.H.), II, 73; Ibn Kathir, II, 239.
8. In his introduction to `Uyun al-athar, I, 7, Ibn Sayyid al-Nas (d. 734 A.H.), having explained his plan for his biography of the Prophet, expressly states that his main source was Ibn Ishaq, who indeed was the chief source for everyone.
9. Tahdhib al-tahdhib, IX, 45. See also `Uyun al-athar, I, 17, where the author uses the same words, without giving a reference, in his introduction on the veracity of Ibn Ishaq and the criteria he applied.
10. d. 179.
11. `Uyun al-athar, I, 12.
12. ibid, I, 16.
13. Sira, 691-2/II, 242, 244; `Uyun al-athar, II, 74, 75.
14. Ibn Sayyid al-Nas (op. cit., I, 121) makes precisely this point in relation to the story of the Banu Qaynuqa' and the spurious verse which was said to have appeared in Sura LIII of the Qur'an and at the time was taken by polytheist Meccans as a recognition of their deities. The author explains how various scholars disposed of the problem and then sums up by stating that in his view, this story is to be treated on the same level as tales of the maghazi and accounts of the Sira (i.e. not to be accorded unqualified acceptance). Most scholars, he asserts, usually treated more liberally questions of minor importance and any material which did not involve a point of law, such as stories of the maghazi and similar reports. In such cases data would be accepted which would not be acceptable as a basis of deciding what is lawful or unlawful.
15. See n. 18 below.
16. Tabari, Tarikh, I, 1499 (where the reference is to al-Waqidi, Maghazi, II, 513); Zad al-ma`ad (ed. T. A. Taha, Cairo, 1970), II, 82; Ibn Kathir, op. cit., IV, 118.
17. On this see W. Arafat, "Early critics of the poetry of the Sira", BSOAS, XXI, 3, 1958, 453-63.
18. Kadhdhab and Dajjal min al-dajajila.
19. `Uyun al-athar, I, 16-7. In his valuable introduction Ibn Sayyid al-Nas provides a wide-ranging survey of the controversial views on Ibn Ishaq. In his full introduction to the Gottingen edition of the Sira, Wustenfeld in turn draws extensively on Ibn Sayyid al-Nas.
20. Tahdhib al-Tahdhib, IX, 45. See also `Uyun al-athar, I, 16-7.
21. ibid.
22. Qur'an, XXXV, 18.
23. Qur'an, XLI, 4.
24. ed. Khalil Muhammad Harras, Cairo, 1388/1968, 241.
25. Significantly, little or no information is to be found in general or special geographical dictionaries, such as al-Bakri's, Mu`jam ma'sta`jam; al-Fairuzabadi's al-Maghanim al-mutaba fi ma`alim taba (ed. Hamad al-Jasir, Dar al-Yamama, 1389/1969); Six treatises (Rasa'il fi tarikh al-Madina ed. Hamad al-Jasir, Dar al-Yamama, 1392/1972); al-Samhudi, Wafa' al-wafa' bi-akhbar dar al-Mustafa (Cairo, 1326), etc. Even al-Samhudi seems to regard a mention of the market-place in question as a mere historical reference, for in his extensive historical topography of Medina he identifies the market-place (p. 544) almost casually in the course of explaining the change in nomenclature which had overtaken adjacent landmarks. That market-place, he says, is the one referred to in the report (sic) that the Prophet brought out the prisoners of Banu Qurayza to the market-place of Medina, etc.
26. p. 247. I am indebted to my friend Professor Mahmud Ghul of the American University, Beirut, for bringing this reference to my attention.
27. d. 157/774. See EI2, sub nomine.
28. Sira, 689/II, 240; al-Waqidi, op. cit., 512.
29. Sira, 689/II, 240; Ibn Kathir, op. cit., III, 238.
30. e.g., Nasab Quraysh (ed. A. S. Harun, Cairo, 1962), 340.
31. op. cit., II, 634, 684.
32. op. cit., III, 415.
33. A. Guillaume, Islam (Harmondsworth, 1956), 10-11.
34. De bello Judaico, I, 4, 6.
35. ibid., VII, 9, 1.
36. ibid., VII, 10, 1.
37. Sira, 685-6/II, 235-6.
38. Sira, 352, 396/I, 514, 567.
39. The Times, 18 August 1973; and The Guardian, 20 August 1973. 



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